Warum wir Eltern mit dem „Nein“ durchaus geizen sollten
Ist euch auch schon aufgefallen, dass bei ganz vielen Kindern das Wort „Nein“ mit zu den ersten in ihrem Wortschatz gehört? Ich beobachtete einmal einen kleinen Jungen von gerade einmal 1,5 Jahren, der mit erhobenen Zeigefinger fuchtelte und ganz beherzt „Nein nein nein“ rief. Ich meine, klar, es sieht süß aus, wenn so ein kleiner Knopf oberlehrerhaft auftritt. Genau deswegen haben wohl auch die Eltern als Reaktion darauf ganz entzückt gelacht.
Aber ich denke da unwillkürlich weiter. Es liegt nahe, dass das Wort „Nein“ in der Familie wohl ziemlich oft genutzt wird, um das Kind davon abzuhalten, etwas bestimmtes zu tun. „Nein, nicht Mamas Tasche ausräumen!“ „Nicht die Tür aufmachen!“ „Nein, nicht die Fernbedienung drücken!“. Alltäglich Dinge eben. Wir kennen es ja alle. Kleinkinder treiben eigentlich (fast) immer irgendwas, was uns eigentlich gar nicht so recht ist bzw. hinterher Arbeit beschert – aufräumen, putzen, wegwischen etc. Aber mal ehrlich, ich bin gegen ein „Nein“ in Dauerschleife.
Ein zu oft ertöntes „Nein“ verliert an Bedeutung
Es ist genau wie mit dem „Ich liebe Dich“ – wenn man es permanent gesagt bekommt, ist es doch gar nichts besonderes mehr, oder? Und genau so ist das in meinen Augen mit dem „Nein“. Warum sollte ein Kind ein Nein wirklich ernst nehmen, wenn es wegen jedem Pups ertönt? Demian greift natürlich den ganzen Tag nach den verschiedensten Dingen, von denen ich nicht möchte, dass er es tut – sei es eine Vase, meine Schminksachen, irgendwelches angesabbertes Hundespielzeug etc. Wenn ich ihm permanent verbieten würde, das alles zu nehmen, wären wir die Hälfte des Tages mit „Demian, neeeeeeein, lass das!“ beschäftigt. Das stelle ich mir furchtbar und für beide Seiten total frustrierend vor! Wir bieten ihm stattdessen Alternativen, lenken ihn ab und räumen das „verbotene Spielzeug“ einfach schnell weg. Klappt eigentlich immer!
Das bewusste „Nein“ zählt
Das Entscheidende bei der ganzen Geschichte ist für mich, dass ich mein Nein auch wirklich aus Überzeugung sage und voll dahinter stehe. Denn natürlich gibt es unzählige Situationen, in denen man als Elternteil entscheidet: „Nein, ich möchte nicht, dass du das machst“. Das sind für mich vor allem Situationen, die gefährlich werden können oder aber wenn ein anderes Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, Schaden davonträgt.
Demian hat z.B. in seiner Wut schon unseren Hund Carlos ziemlich gemein gezwickt. Hier geht es für mich zu weit, da er einem anderen Lebewesen wehtut. Natürlich versuchen sowohl Steffen als auch ich immer präsent zu sein, wenn so eine Situation entsteht und machen Demian deutlich, dass sein Verhalten gerade nicht geht und wir dieses nicht akzeptieren. Auch wenn er noch sehr jung ist, erklären wir ihm, dass er dem Hund gerade wehtut und dass es nicht schön ist. Hier setzen wir unser „Nein“ bewusst ein. Es ist nicht „daher gesagt“, nicht aus einer Laune heraus entstanden oder weil wir gerade genervt sind. In diesem Fall wünschen uns, dass er dieses Verbot bzw. diese Grenze verinnerlicht. Gleichzeitig zeigen wir ihm natürlich immer die Alternative, wie es richtig ist: streicheln, zärtlich sein. Das klappt dann ein paar Mal gut und wieder möchte er ausholen und Carlos eine überbraten.. Also wieder zurück auf Anfang. Geduld ist angesagt! Geduld und unsere Präsenz.
„Das macht man nicht“ – Ach wirklich?
Wie oft neigen wir dazu, etwas nicht gutzuheissen, weil „man es nicht macht“. Die liebe Gesellschaft schreibt uns einfach viel zu viel vor und man findet sich ganz schnell in diesem Gruppenzwang wieder. Ein Kind, das im Supermarkt in der Gegend hüpft und laut singt? Das geht doch irgendwie nicht, oder? Stört vielleicht andere, die gerade mürrisch ihren Einkaufswagen füllen. Da stellt sich die Frage: finden wir das als Eltern gerade wirklich so schlimm oder geht es vielleicht doch eher darum, was andere davon halten?
Daher nehme ich mir vor, authentisch zu bleiben: was uns als Eltern nicht stört, verbieten wir auch unserem Sohn nicht. Ehrlich, wenn es danach geht, wie ein Kind sich mancher Ansicht nach „zu benehmen hat“, dann kann man das fast mit einem Roboter gleichsetzen. Still sitzen, nicht widersprechen, am besten gar nicht auffallen. Aber Kinder sind Kinder. Mit all ihrer Energie, Fantasie und Abenteuerlust! Ich möchte das nicht im Keim ersticken – ich möchte es fördern! Da können andere sich noch so aufregen.
Ach liebes Asien, wir vermissen dich!
Und blitzartig muss ich an unsere Zeit in Thailand oder Indonesien denken. Wie viel einfacher es dort war, weil die Asiaten Kindern einfach viel mehr Freiheiten erlauben und mehr noch – sich immer und überall über Kinder freuen! Sie dürfen sich im Restaurant frei bewegen, auf dem Tisch sitzen, laut sein usw. Dort darf ein Kind noch Kind sein! Es wird nicht einfach geduldet, nein, sie sind ganz begeistert, wenn sie ein aktives und freundliches Kind begrüßen dürfen. Wenn es dann auch noch mit ihnen mitgeht, sind sie absolut happy und zeigen ihm die anderen Mitarbeiter, die Küche, etc. Es ist unbeschreiblich toll! Wie viel entspannter wäre es, wenn man sich hierzulande eine Scheibe von dieser kinderfreundlichen Lebenseinstellung abschneiden würde!
Ein „Nein“ ist nun einmal doof. Ein Kind darf wütend sein!
Ich habe da einige Situationen vor Augen, die ich wirklich schon öfter beobachtet habe: Die Mutter verbietet dem Kind etwas. Die Reaktion kann man sich ja eigentlich ausmalen: Das Kind wird wütend, weint, schmeisst sich womöglich auf den Boden. Das volle Programm. Und was macht die Mutter? Sie schimpft, weil sie diese Reaktion nicht richtig einordnen kann und als unangebracht erachtet. Sie erzeugt also noch mehr Frust, obwohl gerade eh schon alles doof ist! Aber ernsthaft, was kann man denn da von seinem Kind erwarten? Ist doch echt blöd, wenn man etwas verboten bekommt! Wer lässt das schon gern über sich ergehen? Niemand. Und ein Kind kann mit seiner Gefühlswelt ja noch viel schlechter umgehen als wir Erwachsenen. Ist es nicht total verständlich, dass Wut und Enttäuschung als Reaktion kommen?
Für mich ist das absolut logisch, dass ein Kind erst einmal seinen Frust von der Seele meckern muss. Ich erwarte von Demian nicht, dass er sich mit einem Verbot direkt zufrieden gibt. Er darf sich darüber aufregen (Oh ja, auch mit 1,5 Jahren zeigt er bereits deutlich seinen Unmut) und seine Emotionen auch zum Ausdruck bringen. Ärger gibt es dafür ganz sicher keinen von uns, sondern Verständnis und eine extra Portion Ablenkung.
Eine „Ja-Umgebung“ schaffen
Zusammenfassend lässt sich es wohl am besten so ausdrücken: wir versuchen für unser Kind eine „Ja-Umgebung“ zu schaffen. Du kannst das! Ja, du schaffst das! Hab Spaß! Lass uns länger auf dem Spielplatz bleiben, wenn du unbedingt willst. Plantsch ruhig in der Pfütze, Kleidung kann man schließlich waschen. Es läuft gleich viel entspannter, wenn sich bewusst macht, dass es zum Welt-Entdecken dazu gehört. Und unsere Kinder machen ja nichts anderes als Schritt für Schritt das Leben kennenzulernen. Natürlich klappt es nicht immer, denn man hat nicht immer die Zeit oder auch die Kraft. Muss und soll es auch nicht und es ist vollkommen okay. Aber diese Grundeinstellung zieht sich durch unseren Alltag und klappt bei uns bisher wirklich gut. Es ist jetzt schon absehbar, dass es nicht unbedingt einfacher wird – Demian wird älter, sein Willen immer größer und unbändiger.
Ob wir in einem Jahr immer noch berichten können, wie toll es klappt? Schauen wir mal! Aber es ist auch wahnsinnig spannend! Wir erleben mit, wie aus einem kleinen Knopf ein Mensch mit eigenen Vorstellungen, eigenen Wünschen und Vorlieben heranwächst. Und wir als Eltern haben diese ganz wichtige einmalige Aufgabe, ihn auf diesem Weg mit all unserer Kraft und Überzeugung zu unterstützen.
Wie seht ihr das? Wie handhabt ihr es bei euren Kindern? Mich würden Erfahrungen von anderen Mamas wirklich sehr interessieren!
Macht’s gut!
Alina
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Hallo liebe Alina
Ich finde deinen Beitrag super und stehe da total hinter.
Auch wir versuchen mit unserer Tochter Nele (gerade 1 Jahr) so umzugehen. Sie darf relativ viel selbstständig entdecken, darf sich alleine auf den Weg machen (natürlich haben wir sie immer im Blick und passen auf. Stehen aber nicht ständig 30 cm neben ihr und halten sie fest.) , sie darf sich dreckig machen und ihre Wünsche soweit es geht äußern. Dies geht halt oft nur mit Wut oder ’nervigem‘ „da.da.da.da.da“ (Es ist nicht wirklich nervig, aber anstrengend. Ach ihr wisst sicherlich was gemeint ist.)
Aber es ist wirklich schwer sich gegen das Umfeld , die Unwelt zu stemmen. Oft wird man blöd angeschaut oder manche Leute sehen es für notwendig an ihre Meinung dazu kundzutun. Leute die man nie gesehen hat!!!
Die Tage waren wir am See und Nele hat auf der Liegewiese eine leere Bierdose gefunden und hat sich diese angeguckt. Sofort kam eine fremde Frau und hat sie ihr abgenommen. Sie könne sich daran verletzen. Ich war so perplex das ich Nele genommen habe und gegangen bin, ohne was zu sagen! Leider! Naja so ist es zumindest nicht so einfach diesen „Eziehungsstil“ durchzuziehen. Und die Stunden und Tage an denen man selber nicht mehr kann und keine Zeit und Gedult hat, die kennen wir auch. Aber du hast recht. Auch wir können nicht immer perfekt handeln und das werden die Kleinen schon verstehen.
So ein langer Kommentar, aber das Thema interessiert mich bzw sind wir ja auch mittendrin und dein Bericht gefällt mir sehr.
Liebe Grüße, Tina
Liebe Tina,
vielen lieben Dank für dein Feedback! Es ist super schön zu lesen, dass sich auch andere Eltern bemühen und diesen teils doch „steinigen“ Weg gehen mit den wenigen Verboten. Und gleichzeitig ist es ein sooo toller Weg, denn man ist dann in Beziehung mit dem Kind und bestimmt nicht von oben herab.
Ich bin selbst ziemlich antiautoritär erzogen worden und stehe da absolut dahinter. Ich bin der Überzeugung, dass wir unseren Kindern damit so viel geben, was ihnen einen sichereren Start und einfach auf dem kompletten Lebensweg mehr Selbstbewusstsein ermöglicht. Zumindest ist das meine Vision und es ist so so schön, täglich etwas dazu beizutragen.
Alles alles Liebe für euch!
Alina
PS: Übrigens ist Nele ein wahnsinnig schöner Name. Bin seit Jahren ein Fan :)).