Spätzünder? Oder: Hilfe, die Musterbabys aus den Ratgebern entwickeln sich schneller!
„Im Zentrum des Buches steht die Entwicklung des Babys auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, angefangen vom ersten bis hin zum zwölften Monat.“, heisst es in der Beschreibung eines bekannten Baby-Ratgebers.
„Die Entwicklung des Babys wird Monat für Monat detailliert beschrieben“ tönt es aus dem nächsten, zum Verwechseln ähnlichen Exemplar.
Nicht nur, dass es sich anhört, als wäre ein Baby ein wissenschaftlich durch und durch studiertes Objekt und habe jetzt nach sooo vielen Studien nun einmal nach Schema X zu funktionieren und vor allem sich zu entwickeln. Nein, auch der Zeitraum wird den Müttern und Vätern direkt mitgegeben. Wie nett! Direkt zum Nachschlagen: Was muss mein Kind denn im 5. Monat können? Sich drehen? Und plötzlich steht sie da, die junge Neumama und schaut entsetzt – Junior liegt nämlich da wie eine Flunder und denkt nicht im Ansatz daran, sich auf die Seite zu kullern.
Vergleiche machen unsicher
Ich habe immer mehr den Eindruck, Facebook sei heutzutage die erste Anlaufadresse, sobald es Unsicherheiten oder Fragen gibt. Egal ob „Wie koche ich Nudeln ab“ bis hin zu „Soll ich mich von meinem Partner trennen?“ – in den sozialen Netzwerken scheinen sich gerade junge Frauen Antworten auf alle möglichen (und unmöglichen) Fragen zu erhoffen.
Und so landet auch die Mama mit dem Junior in einer der zahlreichen Mama-Gruppen und fragt nach: „Wann haben eure Kinder sich gedreht?“ Nach 264 Antworten steht fest: Die meisten können sich mit 5 Monaten drehen. Die Unsicherheit ist noch mehr gewachsen. Dazu sind nun auch allerhand Vorschläge dazu gekommen, wie man einem Baby dabei nachhelfen könnte/sollte/MUSS. Ist das wirklich sinnvoll?
Ich habe absolut nichts gegen Ratgeber. Auch nicht dagegen, dass man sich Meinungen einholt. Aber manchmal denke ich mir „Um Himmels Willen, lasst eure Kinder sich doch einfach selbst in ihrem Tempo entwickeln! Gebt ihnen die Zeit, ohne euch selbst den Stress zu machen und unsicher zu werden!“ Ich sehe das Ganze aus der Perspektive einer Mama, deren Kind sich auch lieber länger Zeit lässt, als es die Ratgeber schreiben. Und das bei vielen „Etappen“ – später den Kopf selbstständig gehalten , später gesessen, später gestanden – und mit 16 Monaten noch nicht am Laufen. Ich sage bewusst „spätER“ und nicht „spät“. Wer oder was hat denn bitte den „normalen“ Zeitpunkt bestimmt? Sind nicht alle Menschen unterschiedlich? Ihre Neigungen, Talente, Fähigkeiten. Warum soll es bei Babys großartig anders sein?
Eigenes Tempo in der Entwicklung darf und soll sein!
Demian ist mein erstes Kind und natürlich neigte auch ich anfangs dazu, andere Babys gleichen Alters zu beobachten. Das macht man als Neumama irgendwie automatisch, glaube ich. Wenn die Kinder im Babykurs nach und nach langsam anfingen, die Umgebung aus der Bauchlage heraus zu begutachten, lag mein Mops fröhlich auf dem Rücken ohne auch nur ein leises Interesse zu zeigen, sich zu drehen, geschweige denn den Kopf in der Bauchlage lange genug zu halten, um etwas beobachten zu können. Und das ging Woche für Woche so und da tat sich ganz lange nicht wirklich viel. Demian liebte es, auf dem Rücken liegend herumzuschauen und hat die Bauchlage gekonnt ignoriert. Und wisst ihr was? Ich habe mit ihm auch nicht verstärkt „geübt“, wie es oft angepriesen wird. Warum nicht? Weil es sich für mich falsch anfühlte.
Ich hatte ein glückliches, quietschfideles Baby, das sehr wohl seine kleinen Entwicklungsschritte machte – aber eben in seinem Tempo und nicht nach den Vorgaben von Ratgebern & Durchschnittswerten. Ich hatte nie das Bedürfnis, ihn zum nächsten Schritt zu bewegen, zu dem er wohl einfach noch nicht bereit war. Er hat es ja signalisiert. Und dennoch hat er nach und nach alles gekonnt, ohne Probleme, nur etwas später. Ich habe ihn nie zu etwas nötigen müssen (mich gruselt es von Ratschlägen à la „Legen Sie das Baby auf den Bauch, auch wenn es weint, es muss da durch“) und ich war und bin eine sehr entspannte Mama ohne jegliche Zweifel daran, dass man Kind das schon alles lernen wird – aber wenn er dazu bereit ist.
Liebe Mamas, denkt bitte immer daran….
1. Jedes Kind ist anders. Und so ist auch seine Entwicklung. Individuell und einzigartig. Jeder von uns hat sein Tempo, wenn wir etwas erlernen und genau so ist das auch bei Babys. Ganz oft hört man ja „Ach, wenn er später laufen lernt, dann lernt er eben sprechen schneller!“. Auch wieder so eine blöder Satz. Denn hey, selbst wenn das Kind überall später dran ist – so what? Gibt es etwas umsonst, wenn ein Kind etwas schneller kann als ein anderes? 😀
2. Kleine Fortschritte sind auch Fortschritte. Wichtig ist, dass ein Kind überhaupt in kleinen Schritten dem Ziel, eine Fähigkeit zu erlangen, näher kommt. Weil es das will und Spaß daran hat, sich weiterzuentwickeln. Kann es den Kopf ein paar Sekunden länger halten als vor einer Woche? Super! Kommen langsam Versuche, den Kopf zu drehen, um sich auf die Seite zu rollen? Yay!
3. Aufs Bauchgefühl hören. Sollte man den Verdacht haben, dass etwas nicht stimmt und ein Kind sich bei bestimmten Aufgaben extrem schwer macht oder vielleicht sogar Schmerzen haben könnte, sollte man auf jeden Fall einen Fachmann, z.B einen Osteopath oder natürlich Kinderarzt, zu Rate ziehen. Mamas haben da meistens ein Gespür für und sollten immer auf ihren Bauch hören.
4. Vertrauen haben und entspannt bleiben! Das würde ich am liebsten jeder Mama ans Herz legen. Macht euch keinen Stress, wenn euer Knirps noch nicht so weit ist wie das von der Nachbarin. Es kommt schon alles! Habt Vertrauen in eure Kinder, lehnt euch zurück und schaut zu, wie wunderbar die Natur alles eingerichtet hat – Jedes Kind und dessen Entwicklung sind sowohl einmalig als auch faszinierend zugleich.
Alles Liebe,
Eure Alina
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Vielen vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel – er spricht genau in meine Situation. Und irgendwie kam es mir vor, als würdest du meinen Sohn beschreiben. Viereinhalb Monate alt und hat keine Lust auf Köpfchen heben, drehen undundund. Die anderen Kinder sind um einiges weiter und ich als Mama mache mir Sorgen, mein Baby wäre nicht gut entwickelt.
DANKE für diesen Mutmacher-Artikel. Und wenn unsere Babys einmal 12 sind, fragt bestimmt keiner mehr, wann sie ihre Köpfchen heben konnten! 🙂
Hallo Mary,
vielen Dank für das schöne Feedback! Und mittlerweile kann ich eins sagen: Unser Sohn wird bald 3 Jahre alt, läuft schneller als uns manchmal lieb ist und macht für sein Leben gern Purzelbäume :))). Nichts mehr übrig vom „Flunder-Dasein“!
Alles Liebe euch!!
Alina